Kurzgefasst
Diese Wiederaufnahme verschafft uns ein Wiedersehen mit dem weltweit gefeierten mexikanischen Tenor Javier Camarena. Seine an Mozart geschulte Belcantostimme ist wie geschaffen für die französische Eleganz und die lyrische Empfindsamkeit, die die Partie des Nadir in Georges Bizets Perlenfischern erfordert. Als Nadirs Jugendfreund Zurga kommt der kanadische Bariton Etienne Dupuis, der nicht nur die italienischen Partien seines Fachs an den grossen Opernhäusern der Welt singt, sondern auch im französischen Repertoire zuhause ist, zurück nach Zürich; er hat die Partie bereits 2015 hier am Haus gesungen. Die Sopranistin Ekaterina Bakanova, die bereits als Antonia in Offenbachs Les Contes d’Hoffmann am Opernhaus Zürich aufhorchen liess, singt Leïla.
Die Oper behandelt eine Dreiecksgeschichte, die sich im gefährlichen Milieu der Perlenfischerei abspielt. Nadir und Zurga liebten einst die gleiche Frau, verzichteten dann aber aufgrund ihrer Freundschaft auf sie. Jahre später treffen sie wieder aufeinander. Sie ahnen nicht, wer die verschleierte Frau ist, die als Priesterin die Fischer beschützt: Leïla, Nadirs niemals vergessene «Göttin» aus dem Tempel. Als sie seine Liebe erwidert und damit einen Eid bricht, schweben beide in tödlicher Gefahr... Die Oper aus der Feder des erst 24-jährigen Georges Bizet wurde vom Publikum enthusiastisch aufgenommen, während die Kritik sie zunächst ablehnte. Eine Ausnahme war Hector Berlioz, der fand, dass die Partitur Bizet «die grösste Ehre» mache. Tatsächlich ist das Werk eins der schönsten Beispiele aus der Ära des Théâtre-Lyrique in Paris. Feinfühlig gestaltet Bizet die Seelennöte seiner Protagonisten, und neben Hits wie der Romanze des Nadir oder dem Freundschaftsduett begeistern die mitreissenden Chöre der Fischer. Die erfolgreiche Inszenierung von Jens-Daniel Herzog verzichtet auf exotischen Südseezauber und fokussiert stattdessen auf eine Gesellschaftsordnung, die auf Unterdrückung basiert: Auf dem Unterdeck eines Schiffsdampfers schuften die Perlenfischer, während auf dem Kajütendeck die Herrschaften regieren.