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La scala di seta

Farsa comica in einem Akt von Gioachino Rossini (1792-1868)
Libretto von Giuseppe Maria Foppa

In italienischer Sprache mit deutscher und englischer Übertitelung. Dauer 2 Std. 15 Min. inkl. Pause nach dem 1. Teil nach ca. 55 Min. Werkeinführung jeweils 45 Min. vor Vorstellungsbeginn.
Eine Produktion des Rossini Opera Festivals (Pesaro).

Gut zu wissen

Kurzgefasst

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Szenenbilder «La scala di seta»


Über


La scala di seta

Gioachino Rossini

Aufgeregte Crescendi, rhythmische Vitalität und eine Geschichte voller Situationskomik zeichnen Gioachino Rossinis selten gespielte Farsa «La scala di seta» aus. 1812 für das venezianische Teatro San Moisè entstanden, zählt die Oper zwar zu Rossinis frühesten Werken, liefert aber dennoch bereits ein eindrückliches Zeugnis für das dramatische Gespür und den enormen musikalischen Einfallsreichtum des erst 20-jährigen Komponisten – das zeigt sich nicht nur in der berühmten, glanzvollen Ouvertüre zur «Seidenen Leiter», sondern auch in den rasanten Ensemblestücken und den variantenreichen Arien.
Der junge italienische Regisseur Damiano Michieletto übersetzt das spritzige sechs-Personen-Stück zusammen mit seinem Ausstatter Paolo Fantin ins Heute und lädt das Publikum im Theater Winterthur dazu ein, lustvolle voyeuristische Blicke in einen durch und durch chaotischen Haushalt zu werfen, die weder durch verschlossene Türen noch durch störende Wände aufgehalten werden. Dabei spielt das Team auch mit dem Doppelsinn des italienischen Wortes «Scala», das einerseits «Leiter», andererseits aber auch «Massstab» bedeuten kann.

Als «Maestro al cembalo» hatte der 18-jährige Rossini schon genügend Lorbeeren eingeheimst, jetzt wollte er auch seine Fähigkeiten als Opernkomponist unter Beweis stellen. Dank der Fürsprache eines Freundes seiner Eltern bot sich ihm eine erste Gelegenheit im Jahr 1810, als er den Auftrag zu «La cambiale di matrimonio» («Der Heiratswechsel») am Teatro San Moisè in Venedig erhielt. Der Erfolg dieser ersten «Scrittura» zog weitere Aufträge nach sich, und so entstanden fünf der ersten neun Opern Rossinis für das venezianische Theater: Nach «La cambiale di matrimonio» folgten 1812 «L’inganno felice», «La scala di seta» und «L’occasione fa il ladro», ein Jahr später dann «Il signor Bruschino». Alle fünf Werke waren sogenannte «Farse», kurze komische Opern. Das kleine, aber einflussreiche Theater San Moisè in Venedig mit seinem erlesenen Orchester (das über hervorragende Holzbläser verfügte), die familiäre Atmosphäre und die Form dieser Farse – das war für einen jungen, aufstrebenden Komponisten wie Rossini ein glückliches Betätigungsfeld. Der Komponist erinnert sich: «Dieses Theater diente ausserdem auch dem Début von jungen Komponisten, wie Mayr, Generali, Pavesi, Farinelli, Coccia, etc. und auch für mich im Jahre 1810. Die Unkosten des Impresarios waren ganz gering, da ausser einer guten Besetzung (ohne Chor) die ganze Sache auf die Kosten für ein Bühnenbild für jede Farsa, eine sehr bescheidene Inszenierung und ein paar Probentage beschränkt war. Aus all dem kann man sehen, dass alles dazu diente, das Début eines jungen Maestro zu erleichtern, der besser als in einer vier- oder fünfaktigen Oper seine angeborene Phantasie (wenn Gott sie ihm gegeben hat!!) und seine Technik (wenn er sie gelernt hat!) in einer Farsa gut genug beweisen kann.» Wenige Monate nach der Uraufführung von «Il signor Bruschino» sollte sich dann auch schon der internationale Durchbruch einstellen und ein gesamteuropäisches Rossini-Fieber um sich greifen: mit «Tancredi» – womit Rossini seine Befähigung für die Opera seria unter Beweis stellte – und mit der Opera buffa «L’Italiana in Algeri». Rossinis Lehrzeit gehörte endgültig der Vergangenheit an.

Anders als in vielen Rossini-Biografien behauptet wird, wurden die ersten Vorstellungen von «La scala di seta» durchaus positiv aufgenommen – Rossini, der das Orchester vom Cembalo aus leitete, soll nach jeder Nummer heftig beklatscht worden sein. Allerdings war der Erfolg des Einakters nicht so anhaltend wie bei anderen Farse Rossinis. Ausserhalb Venedigs nahmen ihn nur wenige italienische Opernhäuser in ihr Programm auf, und das Werk geriet, bis auf die schwungvolle Ouvertüre, allmählich in Vergessenheit. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte es wieder auf die Bühnen zurück: in den 50er-Jahren beim Festival Maggio Musicale in Florenz und 1988 beim Rossini Opera Festival in Pesaro, dessen Aufführung eine kritische Neuausgabe unter Einbeziehung des in Schweden zufällig wiedergefundenen Autographs zugrunde lag.

Die Handlung der kleinen Farsa ist schnell erzählt: Giulia, die im Haus ihres Vormundes Dormont lebt, empfängt ihren heimlich geehelichten Dorvil jede Nacht mittels einer seidenen Leiter in ihrem Appartement. Dormont will sein Mündel jedoch mit Blansac, einem Freund Dorvils, verheiraten. Um Blansac loszuwerden, beschliesst Giulia, ihn mit ihrer Cousine Lucilla zu verheiraten. Ihr Diener Germano, seinerseits in Giulia verliebt, soll sie dabei unterstützen.

Der venezianische Librettist Giuseppe Maria Foppa, der mit Rossini bereits bei «L’inganno felice» zusammengearbeitet hatte und später das Textbuch zu «Il signor Bruschino» verfassen sollte, befand sich mit dem Motiv der «heimlichen Heirat» in enger Nachbarschaft zu Domenico Cimarosas 1792 uraufgeführter Oper «Il matrimonio segreto». Der Stoff geht auf die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erschienen Kupferstichfolge «Marriage à la mode» von William Hogarth zurück, die in der Folge im gesamten europäischen Raum zahlreiche Theaterstücke und Opern auf den Plan gerufen hat. Foppa dürfte sich dabei auf eine französische Vorlage, das Lustspiel «L’Echelle de soie» von François Antonine Eugène de Planard gestützt haben. Anders als in Cimarosas «Matrimonio segreto», wo die Zugehörigkeit zu verschiedenen Klassen eine Verbindung der beiden Protagonisten noch verhinderte und daher in aller Heimlichkeit vollzogen werden musste, verkommt die geheime Hochzeit zwischen Giulia und Dorvil in «La scala di seta» jedoch zur blossen Nebensache. Warum Giulia ihren Liebhaber heimlich heiraten musste, wird in Foppas Text mit keinem Wort thematisiert. Das Motiv ist nur eines von vielen typischen Ingredienzen (wie Intrigen, Verwechslungen und Missverständnisse), die eine rasante Bewegungskomödie entzünden, die durchaus Gemeinsamkeiten mit heutigen Sitcom-Serien hat. «La scala di seta» ist ein Feuerwerk menschlicher Begegnungen im Zeichen von Geschlechterkampf und Geschlechterspiel.

Der junge Rossini erfindet dafür mit erstaunlich sicherem und frischem Pinselstrich eine vor Ideen nur so sprühende Musik, die mit formaler Vielfalt und instrumentatorischen Nuancen aufwartet. Besonders erwähnenswert ist etwa Giulias Arie «Il mio ben sospiro e chiamo» mit obligatem Englischhorn, die auch in den Opern des späten Rossini keine schlechte Figur machen würde, oder Lucillas Arie mit zwei Pikkoloflöten und verfremdetem Streicherklang, bei dem die Saiten möglichst nahe am Steg gestrichen werden sollen. Rossini, der nur wenige Rezitative für die szenischen Übergänge geschrieben hat, hält den musikalisch-dramatischen Bogen in jedem Moment fest gespannt. Ebenso ist die für Rossini so typische ironische Distanz zu den Figuren spürbar wie auch die Tendenz, mit ihnen wie mit Marionetten zu spielen. Das zeigt sich besonders deutlich im ausgedehnten Hochgeschwindigkeits-Quartett «Sì che unito a cara sposa», in welchem der Komponist gewissermassen die fortschreitende Zerstörung der Psychologie und der Autonomie der Figuren betreibt. Das Jugendwerk «La scala di seta» kann daher durchaus schon als «Komödie über die Komödie» (Ulrich Schreiber) betrachtet werden.


Programmbuch

La scala di seta

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