Intendanz ab 2O21/22

Verlängerungen, neuer GMD und neuer «Ring» nach 2O Jahren

Der Intendant des Opernhauses Zürich Andreas Homoki bleibt bis 2025 im Amt. Die Vertragsverlängerung um weitere drei Jahre wurde durch den Verwaltungsrat des Opernhauses Zürich am Montag, 2. Juli auf einer Pressekonferenz angekündigt. Ebenfalls wurde die Vertragsverlängerung des Ballettdirektors Christian Spuck bis 2025 bekannt gegeben. Beide sind seit 2012 für das künstlerische Profil des Opernhauses Zürich verantwortlich.

Generalmusikdirektor Fabio Luisi wird sich ab 2021 neuen Aufgaben widmen und legt sein Amt in gegenseitigem Einverständnis ein Jahr früher als geplant nieder, um seinem Nachfolger ausreichend Zeit zur künstlerischen Gestaltung zu bieten. Als neuen Generalmusikdirektor ab der Saison 2021/22 präsentierte Andreas Homoki den renommierten Dirigenten Gianandrea Noseda. Am Pult der Philharmonia Zürich war er bereits als musikalischer Leiter für die Neuproduktion von Prokofjews «Der feurige Engel» und die Wiederaufnahme von Verdis «Macbeth» im vergangenen Jahr zu erleben und begeisterte Publikum, Medien und die Musikerinnen und Musiker gleichermassen.

Für die letzte Etappe der Intendanz von Andreas Homoki ist eine Neuproduktion von Richard Wagners «Der Ring des Nibelungen» geplant. Die Tetralogie begleitet das Opernhaus Zürich seit seiner Eröffnung durch die Geschichte. Der erste Zyklus der Limmatstadt wurde in den Jahren 1891 bis 1897 gezeigt. Der letzte «Ring»-Zyklus entstand 2000 und 2002 unter der musikalischen Leitung von Franz Welser-Möst und in der Inszenierung von Robert Wilson.
Andreas Homokis und Gianandrea Nosedas Interpretation wird als achter Zyklus des Opernhauses Zürich die erste gemeinsame Arbeit der beiden sein.

 

Markus Notter, Präsident des Verwaltungsrates
«Ich freue mich mit dem ganzen Verwaltungsrat des Opernhauses Zürich sehr, dass Andreas Homoki und Christian Spuck ihre erfolgreiche Arbeit bis 2025 fortsetzen werden. Das Opernhaus Zürich ist ein Leuchtturm in der Schweizer Kulturlandschaft und hat internationale Strahlkraft. Andreas Homoki und Christian Spuck haben daran einen grossen Anteil. In den sechs Jahren seiner Amtszeit hat Andreas Homoki zusammen mit seinem Team zur Öffnung des Hauses beigetragen und Oper, Ballett und Konzerte für ein breites Publikum zugänglich gemacht. Die hohe Akzeptanz und Anerkennung zeigt sich in hervorragenden Besucherzahlen.

Fabio Luisi danke ich für seine herausragende Arbeit mit dem Orchester, seine aufregenden Dirigate und seine hohe Professionalität, mit der er als engagierter GMD und grosse Künstlerpersönlichkeit  das Opernhaus Zürich mitgeprägt hat. Mit Gianandrea Noseda konnte ein überaus qualifizierter und international  renommierter  Dirigent für den Posten des Generalmusikdirektors gewonnen werden. Wir freuen uns darüber und wünschen ihm in Zürich in seiner künftigen Aufgabe einen guten Start.

Gemeinsam mit dem Publikum erwarte ich in den nächsten sieben Jahren weiterhin spannende und berührende Opern- und Ballettabende, innovative Regiehandschriften, zeitgenössische Choreografien und ungewöhnliche Perspektiven auf höchstem Niveau in jeder einzelnen Aufführung. Besonders freuen kann man sich auf eine weitere musikalische Farbe im Repertoire. Nach zwanzig Jahren wird ein neuer «Ring des Nibelungen» von Richard Wagners wieder am Opernhaus Zürich zu erleben sein und Wagnerianer aus dem In- und Ausland nach Zürich ziehen.»

 

Andreas Homoki, Intendant
«Ich danke dem Verwaltungsrat der Opernhaus AG für sein Vertrauen, und freue mich über die Entscheidung, meinen laufenden Vertrag zu verlängern. Ebenso sehr freue ich mich, dass mein Ballettdirektor Christian Spuck sich bereit erklärt hat, seine ausserordentlich erfolgreiche Arbeit mit dem Ballett Zürich ebenfalls fortzusetzen.
Ich habe grossen Respekt und auch Verständnis für Fabio Luisis Entscheidung, von einer erneuten Verlängerung seines Vertrages als Generalmusikdirektor abzusehen, auch wenn ich sein Ausscheiden nicht nur künstlerisch sondern auch persönlich sehr bedaure. Umso mehr freue mich auf die noch vor uns liegenden gemeinsamen Projekte der kommenden drei Spielzeiten und bin darüber hinaus sehr glücklich, dass er als mein langjähriger Freund und künstlerischer Partner dem Opernhaus Zürich auch über 2021 hinaus als Gastdirigent verbunden bleiben wird.

Mit Gianandrea Noseda konnten wir einen der profiliertesten Dirigenten der internationalen Opern-und Konzertszene als Nachfolger gewinnen. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit diesem spannenden Musiker und Künstler. Ab dem Frühjahr 2022 werde ich gemeinsam mit Gianandrea Noseda eine Neuinterpretation der Tetralogie <Der Ring des Nibelungen> von Richard Wagner erarbeiten.  Dies freut mich umso mehr, als dieses besondere Werk wie kaum ein anderes mit Zürich und Wagners Aufenthalt in der Limmatstadt verbunden ist.»

 

Gianandrea Noseda, Generalmusikdirektor ab September 2021
«To me, Opernhaus Zurich is one of the world’s great theaters. I remember well the wonderful experiences I had in Zurich while leading the performances of Macbeth and Fiery Angel in 2017. To be appointed the next General Music Director is a great honor. Thank you to Andreas Homoki for offering me the opportunity to work with him and the entire Opernhaus Zurich on a new production of The Ring Cycle which will form the center piece of our programming. We will also present German repertoire I have always wanted to perform along with many other operatic works. The artists of Opernhaus Zurich, from the orchestra to the chorus, singers to the ballet dancers, form one of the elite houses in the world. I look forward to joining Andreas and the entire Opernhaus staff in 2021.»

 

Laszlo Szlavik im Namen des Orchestervorstandes der Philharmonia Zürich
«Die Musikerinnen und Musiker der Philharmonia Zürich begrüssen die Ernennung von Gianandrea Noseda als Nachfolger unseres GMD Fabio Luisi. Wir haben Herrn Noseda bereits in Oper und Konzert kennengelernt und waren sowohl von seiner detaillierten und intensiven Probenarbeit als auch von seinem leidenschaftlichen Engagement für die Musik begeistert. Wir hoffen die unter Fabio Luisi begonnene Profilierung unseres Orchesters in allen Repertoirebereichen mit Maestro Noseda fortsetzen und ausbauen zu können und freuen uns auf eine fruchtbare Zusammenarbeit mit ihm.»


Team 2021: Gianandrea Noseda, Andreas Homoki & Christian Spuck


Biografie


Gianandrea Noseda

Der renommierte Dirigent Gianandrea Noseda wird ab der Saison 2O21/22 Generalmusikdirektor des Opernhauses Zürich.

Gianandrea Noseda wurde im Januar 2016 zum siebten Musikdirektor des National Symphony Orchestra Washington DC ernannt und begann seine Amtszeit mit der Saison 2017/18. Er ist Erster Gastdirigent des London Symphony Orchestra und des Israel Philharmonic Orchestra, Erster Dirigent des Orquestra de Cadaqués und Künstlerischer Leiter des Stresa Festivals in Italien.

Als Musikdirektor des Teatro Regio Torino von 2007 bis 2018, leitete Noseda ein goldenes Zeitalter für das Theater ein und machte es zu einem der wichtigsten kulturellen Botschafter Italiens. Unter seiner Leitung erhielt das Haus internationale Anerkennung für Produktionen, Aufnahmen und Filmprojekte, als auch für Tourneen zu internationalen Konzertsälen, Festivals und Opernhäusern u.a. der Carnegie Hall, den Dresdner Festspielen, dem Edinburgh Festival, dem Mariinsky Theatre, dem Royal Opera House (Oman),der Suntory Hall (Tokyo), dem Théâtre des Champs Elysées und dem Wiener Konzerthaus.

Höhepunkte der Saison 2018/19 sind eine zwölfwöchige Zusammenarbeit mit dem National Symphony Orchestra und die Einladung des Orchesters in die Carnegie Hall im Mai 2019 sowie  die Fortsetzung seiner mehrjährigen Tournee mit dem London Symphony Orchestra, deren Aufnahme der gesamten Schostakowitsch-Sinfonien ab September 2018 auf LSO Live veröffentlicht werden. Ebenfalls kehrt Noseda an die Metropolitan Opera zurück, um eine Neuinszenierung von Adriana Lecouvreur mit Anna Netrebko zu leiten.

Noseda stand am Pult der Berliner Philharmoniker, des Chicago Symphony Orchestra, des Cleveland Orchestra, des Orchestra della Scala, der Münchner Philharmoniker, des Met Orchestra, der New York Philharmonic, des NHK Symphony Orchestra, des Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia, des Orchestre de Paris, des Orchestre National de France, des Philadelphia Orchestra, im Royal Opera House, den Salzburger Festspielen, den Wiener Philharmonikern und dem Opernhaus Zürich.

Von 2002 bis 2011 leitete er die BBC Philharmonic. Das Pittsburgh Symphony Orchestra schuf für ihn als Ersten Gastdirigenten den Victor de Sabata Chair. Das Mariinsky Theatre ernannte ihn 1997 zum Ersten ausländischen Gastdirigenten, eine Position, die er ein Jahrzehnt lang innehatte. Von 1999 bis 2003 war er Erster Gastdirigent der Rotterdamer Philharmoniker und von 2003 bis 2006 Erster Gastdirigent des Orchestra Sinfonica Nazionale della RAI.

Seit 2002 dirigiert Noseda Produktionen an der Metropolitan Opera. In der Saison 2016/17 dirigierte er eine Neuinszenierung von Gounods Roméo et Juliette, ausserdem leitete er 2015 eine von der Kritik gefeierte Neuinszenierung von Les pêcheurs de perles. Nosedas und Dmitri Tcherniakovs (Regie) Interpretation von Prinz Igor in der Saison 2013-2014 ist auf DVD bei der Deutschen Grammophon erschienen.

Seine intensive Aufnahmetätigkeit umfasst mehr als 60 CDs. Sein Projekt Musica Italiana, das er vor mehr als zehn Jahren ins Leben gerufen hat, hat das unterschätzte italienische Repertoire des 20. Jahrhunderts in den Fokus gestellt und viele Meisterwerke wieder ans Licht gebracht. Unter der Leitung der Wiener Philharmoniker und des Orchestra Teatro Regio Torino hat er Alben mit Sängern wie Ildebrando d'Arcangelo, Rolando Villazon, Anna Netrebko und Diana Damrau aufgenommen.

Die nächste Generation von Künstlern ist für Noseda wichtig, dies demonstriert er insbesondere bei Meisterkursen und auf Tourneen mit Jugendorchestern, wie z.B. dem European Union Youth Orchestra.

Der in Mailand geborene Noseda ist Cavaliere Ufficiale al Merito della Repubblica Italiana. Im Jahr 2015 wurde er als Musical America's Conductor of the Year geehrt und bei den International Opera Awards 2016 zum Dirigent des Jahres ernannt. Im Dezember 2016 dirigierte er in Stockholm ein Konzert anlässlich der Nobelpreisverleihung.  

Weitere Informationen



Opernhaus aktuell


Wir haben noch etwas vor!

Intendant Andreas Homoki spricht über die Verlängerung seiner Amtszeit am Opernhaus Zürich.

Herr Homoki, im Juli hat der Verwaltungsrat des Opernhauses Ihren Vertrag bis 2025 verlängert. Was hat Sie bewogen, drei weitere Jahre in Zürich zu bleiben?
Kurz gesagt: Weil hier am Opernhaus die Arbeitsbedingungen so hervorragend sind. Ein fantastisches Team von Mitarbeitenden, die jeden Tag alles möglich machen und sich quer durch alle Abteilungen und Berufe mit Begeisterung und viel Herzblut für ihr Haus einsetzen. Diese Familie bildet das Fundament unserer Möglichkeiten und unserer künstlerischen Freiheit, und allein deshalb ist es ein grosses Privileg und eine Freude, weitere drei Jahre am Opernhaus Zürich arbeiten zu dürfen. Hier kann ich täglich mit den weltbesten Künstlerinnen und Künstlern zusammenarbeiten, und das mit einer Konsequenz und Produktivität wie an keinem anderen Ort der internationalen Opernwelt. Hinzu kommt ein Publikum, das unsere künstlerische Arbeit mit einer grossen positiven Neugier aufnimmt und diskutiert. Jeden Tag, den ich zur Arbeit fahre, muss ich mich kneifen und frage mich, was für ein Glückspilz ich bin, hier zu sein!

Man hat nicht selten das Gefühl, dass sich bei der Amtszeit von Opernintendanten nach zehn Jahren ein Kreis schliesst und der Zyklus künstlerisch ausgeschritten erscheint. Sehen Sie das für Zürich auch so, oder nehmen Sie sich nochmal Neues vor?
Es gibt ein Projekt, das wir seit längerem im Auge haben und nun bis 2025 tatsächlich realisieren werden: Die Neuproduktion von Wagners Ring des Nibelungen, die ich selbst inszenieren werde. Ein solches Grossprojekt realisiert man nicht zu Beginn einer Intendanz, sondern man wartet damit, bis ein Betrieb und eine künstlerische Leitung gut aufeinander abgestimmt sind. Deswegen ist der Zeitpunkt jetzt perfekt für einen neuen Ring. Unabhängig davon habe ich auch nicht das Gefühl, dass wir hier in Zürich nach zehn Jahren mit unseren Ideen durch sind. Ich halte es für künstlerisch sehr lohnend, die inhaltlichen Bögen, die wir hier in den einzelnen Repertoirebereichen mit immer wiederkehrenden und sich stetig erneuernden Künstlern angelegt haben, noch einmal drei Jahre weiter zu spannen. Da gibt es noch eine ganze Menge auszuloten, wenn ich etwa an Barockopern denke, an das zeitgenössische Musiktheater oder Stück entdeckungen aus dem 19. und 20. Jahrhundert.

Ist der Ring das Prestigeprojekt, das in einer erfolgreichen Intendantenära nicht fehlen darf?
Mit Prestige hat das eigentlich nichts zu tun. Werke des Musiktheaters existieren nur, wenn man sie aufführt. Sollen sie lebendig bleiben, muss man sie spielen. So ist das auch mit Wagners Ring des Nibelungen. Er ist natürlich etwas Besonderes, weil er vier Abende umfasst und diesen Sog des Zyklischen entfaltet, der die Menschen immer wieder in seinen Bann schlägt. Der letzte Ring in Zürich, inszeniert von Bob Wilson, hatte im Jahr 2000 Premiere, der letzte Wiederaufnahme­Zyklus lief 2009. Da kann man durchaus wieder an eine Neuproduktion denken, zumal es ja eine sehr enge Beziehung zwischen der Stadt und dem Werk gibt: Grosse Teile der Tetralogie sind hier entstanden. Darüberhinaus ist der Ring auch für mich als Regisseur ein verlockendes Projekt, denn ich habe ihn noch nicht inszeniert und nun die Gelegenheit dazu.

Ist die Zürcher Oper denn ein Haus, in das ein Ring gut passt?
Eine architektonische Besonderheit unseres Hauses ist ja, dass der Zuschauerraum vergleichsweise klein und intim ist, die Bühnenöffnung dafür aber gross. Das führt gerade bei grossen Wagneropern dazu, dass sie mit einer Energie und Intensität über die Rampe kommen wie an wenigen anderen Orten der Welt. Es berührt mich immer wieder, wie überwältigend der Gesamteindruck in unseren Wagner­Vorstellungen ist. Die Akustik ist natürlich viel offener und direkter als beispielsweise im mystischen Abgrund des Bayreuther Festspielhauses, aber das ist eine Herausforderung, der sich unser Ring­Dirigent gewiss annehmen wird.

Dieser Dirigent steht fest, er heisst Gianandrea Noseda. Ab der Spielzeit 2021/22 wird er die Position des Generalmusikdirektors in Zürich übernehmen. Wie kam es zu dieser Neubesetzung?
Als ich begann, mich mit der Möglichkeit einer erneuten Verlängerung auseinanderzusetzen, habe ich als erstes meine künstlerischen Partner in der Direktion gefragt, ob auch sie bis 2025 dabei bleiben würden. Beide haben darüber sehr genau nachgedacht. Christian Spuck hat mir dann relativ bald zugesagt, Fabio Luisi hingegen hat sich nach reiflicher Überlegung entschlossen, das Amt des Generalmusikdirektors nach zehn Jahren abzugeben. Er möchte sich neu orientieren und auch etwas weniger Oper und mehr sinfonisches Repertoire dirigieren. Ich konnte das durchaus verstehen. Fabio hat von sich aus angeboten, eine Spielzeit früher zurückzutreten, damit sein Nachfolger mit vier Spielzeiten einen grösseren Gestaltungsspielraum hat als mit nur dreien. Gemeinsam mit der Chance, einen neuen Ring zu dirigieren, war dies ein sehr attraktives Paket. Attraktiv genug, um einen international umschwärmten Künstler vom Rang Gianandrea Nosedas zu überzeugen, worüber ich sehr glücklich bin.

Wofür steht Gianandrea Noseda künstlerisch?
Für eine unglaublich sinnliche, suggestive und kraftvolle Art des Musizierens. Er hat ja hier in Zürich die Neuproduktion von Prokofjews Der feurige Engel und eine Wiederaufnahme von Macbeth grossartig dirigiert. Er steht für Temperament, theatralische Neugier, Integrität und souveräne Metierbeherrschung. Fabio hat meine Entscheidung für Gianandrea sehr begrüsst und freut sich, dass seine eigene Arbeit mit ihm eine ideale Fortsetzung findet – bei all dem, was Gianandrea bestimmt neu und anders machen wird. Wir sehen also einem harmonischen künstlerischen Übergang von Fabio Luisi zu Gianandrea Noseda entgegen, was mir sehr wichtig ist.

Wie hat das Orchester die Personalentscheidung aufgenommen?
Sehr positiv. Wir bekommen vom Orchester jedes Jahr ein detailliertes Feedback über die Dirigenten, die bei uns aufgetreten sind. Da wird deutlich formuliert, mit wem das Orchester sehr gerne wieder arbeiten möchte. Seit seinem Debüt am Opernhaus stand Gianandrea Noseda ganz oben auf dieser Wunschliste. Das hat mich in meiner Entscheidung bestärkt, denn man ist ja nicht gut beraten, einen Dirigenten zu verpflichten, den das Orchester nicht schätzt. Wobei ich sagen muss, dass die Einschätzungen des Orchesters sich meist mit denen der Direktion decken.

Warum haben Sie nur um drei Jahre verlängert?
Nach der künstlerischen Qualität, die ich hier erlebe und geniesse, sehe ich keinen wichtigen internationalen Opern standort, der mich noch reizen würde. Sonst hätte ich ja sagen können: Nach zehn Jahren Zürich gehe ich nochmal woanders hin. Irgend­ wann wurde mir klar, dass mich das nicht interessiert. Auf der anderen Seite wollte ich deutlich signalisieren, dass ich nicht an meinem Stuhl kleben werde. Deshalb finde ich die drei Jahre genau richtig. Wir haben noch etwas vor. Das setzen wir mit den grossartigen Möglichkeiten des Hauses auf der Basis einer vertrauten Zusammenarbeit um. Und dann ist Schluss. Künstlerische Institutionen brauchen immer wieder produktive Veränderung, der darf man nicht im Weg stehen. Ich glaube, ich habe ein gutes Gespür dafür, wann es genug ist.



Dieser Artikel ist erschienen in MAG 61, September 2018.
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Opernhaus aktuell


Wir wollen noch mutiger sein

Christian Spuck erläutert, weshalb er bis 2025 Direktor des Balletts Zürich bleibt.

Herr Spuck, wie der Intendant Andreas Homoki haben auch Sie Ihren Vertrag als Direktor des Balletts Zürich bis 2025 verlängert. Warum?
Weil mir das Opernhaus und das Ballett Zürich seit Beginn meiner Direktionszeit wirklich ans Herz gewachsen sind. Ich bin sehr dankbar für das Vertrauen, das mir für weitere drei Jahre entgegengebracht wird und mir die Möglichkeit gibt, unter einmaligen Arbeitsbedingungen künstlerisch tätig zu sein. Was mich in Zürich immer wieder begeistert, ist die Leidenschaft, mit der hier quer durch alle Ressorts daran gearbeitet wird, Kunst möglich zu machen. Überall trifft man Menschen, die für ihre Sache brennen. Dieses Haus schafft es immer wieder, sich jeglicher Routine zu entziehen. In allen Abteilungen spürt man diese Neugier: Was kommt als nächstes? Was kann man noch Neues machen? Etwas Schöneres kann es für einen kreierenden Künstler nicht geben, als dass er auf Begeisterung und Offenheit stösst. Das Ballett Zürich hat sich in den letzten Jahren zu einem ungemein profilierten Ensemble entwickelt. Zwischen der Compagnie und mir ist ein starkes und offenes Vertrauensverhältnis entstanden, das es uns ermöglicht, auch grosse, genreübergreifende Produktionen zu realisieren. Die Vertragsverlängerung gibt mir die Möglichkeit, mich an Projekte zu wagen, die noch komplexer sind als das bisher Realisierte und eine dementsprechend längere Anlaufzeit benötigen.

Hatten Sie Angebote, andere Ballettcompagnien zu übernehmen?
Tatsächlich haben mehrere renommierte Häuser ihr Interesse bekundet. Die Möglichkeit, hier zu bleiben, war aber einfach zu verlockend. Die Grundaufstellung des Opernhauses Zürich hat etwas sehr Einmaliges für mich.

Die von einer Ballettcompagnie ausgehende Faszination entsteht nicht zuletzt durch das Wechselverhältnis von Konstanz und Erneuerung. Änderungen in der Besetzung gehören da automatisch dazu. Wie gestaltet sich das jetzt zu Beginn der neuen Saison?
Kontinuität ist eine der wesentlichen Arbeitsgrundlagen, wenn man eine Ballettcompagnie leitet. Insofern wünsche ich mir eine möglichst geringe Fluktuation in der Compagnie. Im Ballett Zürich haben wir in dieser Spielzeit fünf neue Tänzer, was bei einer Gesamtstärke von 36 Mitgliedern eine vergleichsweise geringe Zahl ist. Grössere Wechsel gibt es im Junior Ballett, weil die Tänzer hier vertragsbedingt im Zwei-Jahres-Turnus wechseln müssen. Neue Tänzer bringen im Idealfall neue Impulse. Sie inspirieren nicht nur mich, sondern auch ihre Tänzerkollegen. Das kreative Potential innerhalb des Ensembles erfährt eine neue Gewichtung. Zwei Solo-Positionen wurden aktuell mit Tänzern besetzt, die von der Pariser Oper zu uns kommen. Zwei weitere Tänzerinnen haben als Solistinnen in Perm und Karlsruhe getanzt, und ein fünfter Tänzer kommt aus Madrid zu uns. Im Vorfeld eines solchen Engagements prüfe ich gemeinsam mit den Ballettmeistern sehr genau, wer nicht nur tänzerisch, sondern auch menschlich zu uns passt. Ich muss dabei immer ein bisschen das Gefühl haben, dass ich mich in die neuen Tänzer verlieben könnte. Dann finde ich sofort einen Zugang. Bei den ersten Proben für unsere Neuproduktion der Winterreise habe ich in den letzten Tagen auf beglückende Weise erlebt, dass wir sehr inspirierende Künstlerpersönlichkeiten für unsere Compagnie gewinnen konnten.

Vor sechs Jahren sind Sie als Ballettdirektor mit vielen programmatischen Ideen angetreten, was die Vielfalt des Repertoires, aber auch die Identität der Compagnie angeht. Was heisst das für die Zukunft?
Wir werden versuchen, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Die Compagnie hat mittlerweile ein hohes Mass an Eigenständigkeit und arbeitet mit grosser Selbstverantwortung. Das gibt uns eine grosse künstlerische Freiheit. So haben wir es geschafft, die klassischen Produktionen im Repertoire zu halten und uns ihnen – wie im Fall von Alexei Ratmanskys Schwanensee-Rekonstruktion – aus einer neuen Perspektive zu nähern. Viele namhafte Choreografen unserer Tage arbeiten nach wie vor mit der Compagnie und signalisieren mir ihr Interesse, die Zusammenarbeit mit dem Ballett Zürich fortzusetzen. Aber auch prominente neue Namen konnten wir erfolgreich in unserem Ballettspielplan etablieren. Im Sinne einer konsequenten Repertoire entwicklung möchte ich auf dieser Palette aber noch weitere neue choreografische Farben hinzufügen und bin ständig auf der Suche nach Künstlern, die sich durch einen neuen Zugriff auf die Tänzer und das Publikum auszeichnen. Dabei interessieren mich Projekte, die sich dem Tanz auf den ersten Blick zu verweigern scheinen. Auch mit dem hinter uns stehenden Publikum – davon bin ich überzeugt – haben wir jetzt die Chance, noch experimenteller und mutiger zu sein. Sich auf Erreichtem auszuruhen, finde ich nicht interessant. Deshalb werden wir bereits in der nächsten Spielzeit eines der exponiertesten Werke des zeitgenössischen Musiktheaters im 20. Jahrhundert als Ballett in Angriff nehmen.

Das Publikumsinteresse an der Arbeit des Balletts Zürich ist riesengross. Das spiegelt sich in den Auslastungszahlen von über 98 Prozent. Welche Rolle spielt dieser Erfolg für Ihre Arbeit?
Über Erfolg darf man sich freuen, aber es ist nichts, worauf man sich ausruhen kann. Im Gegenteil, denn mit dem Erfolg steigen nicht nur die Erwartungen des Publikums, sondern auch die Ansprüche, die ich an mich selbst stelle. Gegenüber den Tänzerinnen und Tänzern des Balletts Zürich bin ich geradezu verpflichtet, ihren kreativen Hunger zu stillen und sie in ihrer Entscheidung für Zürich mit anspruchsvollen Aufgaben zu bestärken.

Die Sehnsucht nach den sogenannten Blockbustern ist gerade beim Ballettpublikum sehr gross. Wie begegnen Sie ihr?
In diesem Punkt muss man sich selbst als Direktor wie auch als Ensemble treu sein. Man kann kein Programm machen, mit dem man allein das Publikum bedienen möchte. Ich will gar nicht verhehlen, dass wir gelegentlich auch kritische Reaktionen auf unsere Repertoirepolitik bekommen und in diesem Zusammenhang der Wunsch nach grösserer Konventionalität formuliert wird. Aber ich kann und will mich da nicht verbiegen. Ich muss bei jeder neuen Produktion das Gefühl haben: Ja, das sind wir! Bei den grossen Titeln des klassischen Repertoires versuche ich, sie mit ungewöhnlichem Zugriff zu erschliessen und künstlerisch neu zu befragen. Das gilt genauso für unsere gemischten Abende, in denen man mit der spannenden Kombination verschiedener Choreografen ungewöhnliche und starke Balletterfahrungen ermöglichen kann. Wenn wir uns selbst mit dem Gezeigten identifizieren können, wird das auch vom Publikum angenommen.

Steckt tief in Ihnen möglicherweise eine Sehnsucht, nur noch als Choreograf zu arbeiten?
Im Moment nicht. Auch in meiner siebten Zürcher Spielzeit kommt es mir immer noch vor, als sei es die erste. Es entsteht ständig Neues. Natürlich ist es viel administrative Arbeit, aber zum Glück habe ich nicht das Gefühl, dass der Beruf des Direktors so sehr in Routine versunken ist, dass ich mich davon befreien müsste. Ganz im Gegenteil: Ich finde es immer noch aufregend.



Dieser Artikel ist erschienen in MAG 61, September 2018.
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